8.DER GLAUBE AN DIE VORBESTIMMUNG(2/8)


Dr. Aḥmad ’Ibn ‘Abd-’r-Raḥmān al-Qāḍī

8.5 DIE ÜBERZEUGUNG, DASS ZWISCHEN DEM WILLEN UND DER LIEBE KEIN ZWINGENDER
ZUSAMMENHANG BESEHT

Aḷḷāh kann also etwas wollen, das Er nicht liebt, genauso wie Er etwas lieben kann, das Er nicht will, und zwar aus Seinem unendlichen Wissen heraus und in weisester Absicht. Er U sagt:

„Und wenn Wir gewollt hätten, hätten Wir jeder Seele ihre Rechtleitung gegeben.  Aber (nun) ist das Wort von Mir unvermeidlich fällig geworden: ‚Ganz gewiss werde Ich die Hölle mit den Ginn und den Menschen allesamt füllen.‘“

(32:13)

und:

„Wenn ihr ungläubig seid, so ist Aḷḷāh eurer unbedürftig, obgleich Er mit dem Unglauben für Seine Diener nicht zufrieden ist. Wenn ihr aber dankbar seid, ist Er damit zufrieden für euch.“

(39:7)

8.6 DIE ÜBERZEUGUNG, DASS ES KEINEN WIDERSPRUCH GIBT ZWISCHEN DEN ISLAMISCHEN GESETZEN              UND DER VORBESTIMMUNG.

Aḷḷāh  sagt nämlich:

„Euer Bemühen ist wahrlich verschieden. Was nun jemanden angeht, der gibt und gottesfürchtig ist und das Beste für wahr hält, so werden Wir ihm den Weg zum Leichteren leichtmachen. Was aber jemanden angeht, der geizt und sich für unbedürftig hält und das Beste für Lüge erklärt, so werden Wir ihm den Weg zum Schwereren leichtmachen“

(92:4-10)

Denn die islamischen Gesetze sind wie ein offenes Buch, während die Vorbestimmung verschlossen und verborgen ist. Aḷḷāh hat die Schicksale der Diener vorherbestimmt und sie vor ihnen verborgen. Er gab ihnen Gebote und Verbote, bereitete
sie vor und stattete sie so aus, dass sie Seine Gebote durchsetzen und Seine Verbote einhalten können, und Er entschuldigt sie, wenn sie daran gehindert werden, Ihre Pflichten Ihm gegenüber zu erfüllen. Es kann sich also niemand auf das vorbestimmte Schicksal berufen, um sich zu rechtfertigen für das Begehen von Sünden oder um sich von der Gehorsamkeit abzuwenden. Aḷḷāh sagt:

„Diejenigen, die (Ihm) beigesellen, werden sagen: ‚Wenn Aḷḷāh gewollt hätte, hätten wir (Ihm) nichts beigesellt, und (auch) nicht unsere Väter, und wir hätten nichts verboten.‘ Ebenso haben diejenigen vor ihnen (ihre Gesandten) der Lüge bezichtigt, bis sie Unsere Gewalt kosteten. Sag: Habt ihr (irgendein) Wissen, das ihr uns vorbringen könnt? Ihr folgt ja nur Mutmaßungen, und ihr stellt nur Schätzungen an. Sag: Aḷḷāh hat das überzeugende Beweismittel. Wenn Er gewollt hätte, hätte Er euch fürwahr allesamt rechtgeleitet.“

(6:148-149)

Er hielt ihnen erstens ihre Lüge vor, dann ließ Er sie zweitens Seine Gewalt kosten. Wäre die Vorbestimmung eine gültige Rechtfertigung für sie gewesen, hätte Aḷḷāh sie weder bestraft noch ihnen eine Lüge vorgeworfen. Drittens: Sie nutzten nicht das (ihnen offenbarte) Buch, um aus diesem Wissen heraus zu sprechen – was ein Argument für sie gewesen wäre. Doch sie stellten nur Mutmaßungen und Schätzungen an. Und Aḷḷāh hat den eindeutigen Beweis.

8.7 WER HINSICHTLICH DER VORHERBESTIMMUNG
IRREGING UND WAS DIE ANTWORT AUF IHRE ARGUMENTE IST

 Hinsichtlich der Vorbestimmung sind zwei Gruppen irregegangen:

a) Die Indeterministen (Qadariyyah), die die Vorbestimmung ablehnen: Sie überbetonten die Taten der Diener in derart, dass sie dadurch dem vorbestimmten Schicksal widersprachen. Sie sind in zwei Unterstufen einzuteilen:

I. Die Radikalen: Diese waren die Ersten dieser Gruppe, die noch zu – späten – Zeiten der Gefährten des Propheten - Aḷḷāhs Segen und Heil auf ihm , Aḷḷāhs Wohlgefallen auf ihnen, auftauchten und behaupteten, dass nichts vorbestimmt sei. Ihnen entgegneten Gefährten wie Ibn ʽAbbās und Ibn ʽUmar, Aḷḷāhs Wohlgefallen auf ihnen. Diese vom Weg abgekommene Gruppe verleugnete sowohl das Allwissen (Aḷḷāhs) als auch Seine Vorbestimmung, Seinen Willen und Sein Erschaffen.

II. Die Gemäßigten: Das sind die Muʽtazilah, die Aḷḷāh zwar zugestanden, allwissend zu sein und dass Er alles niederschrieben ließ, jedoch Seinen Willen und die Schöpfung bezüglich der Taten abstritten und behaupteten, der Diener erschaffe seine Taten selbst.

b) Die Deterministen (Ǧabriyyah): Sie überbetonten die göttlichen Taten derart ,dass sie dem Diener jeglichen Willen und eigene Fähigkeiten absprachen. Ihnen zufolge geschehen all seine Taten zwangsläufig, wie das unwillkürliche Zucken
eines Kranken. Des Weiteren bestritten sie die Weisheit und Begründungen in Bezug auf Aḷḷāhs Taten.                                                  Auch die Deterministen gibt es in zwei Stufen:

I. Die Radikalen: Das sind vor allem jene ketzerischen Sufis, die von sich behaupten,                                                                        die universale Wahrheit bezeugen zu können.(1)Sie erlauben sich, alles zu tun was sie wollen, mit der Begründung, ihre Taten entsprächen der Vorbestimmung. So dichtet einer von ihnen:Ich bin willenlos gegenüber dem, was Du von mir verlangst / All meineTaten sind also aus Gehorsamkeit.(2)

II. Die Gemäßigten: Das sind vor allem die Ašʽariyyah, welche behaupteten,der Diener verdiene seine Taten; sie schreiben dem Diener somit eine nicht vorhandene Fähigkeit zu.

Als Antwort auf beide Gruppen sind Argumente aus dem islamischen Wissen und der Realität anzuführen:

1. Denjenigen, die die Vorbestimmung mit ihren obengenannten vier Aspekten – das Allwissen, das Niederschreiben, der Willen und das Erschaffen – bestritten, antworten die eindeutigen Quelltexte, welche die Vorbestimmung bestätigen. Auch die Realität beweist dies, kommt es doch oft vor, dass man etwas beabsichtigt, jedoch daran gehindert wird.

2. Auf die radikalen Deterministen antworten diejenigen Quelltexte, die den Willen und die Tat des Dieners bestätigen. Und auch hier zeigt sich in der Realität, dass jeder Mensch zwischen freiwilligen Handlungen und unbeeinflussbaren Angelegenheiten unterscheiden kann.

Auch die Quelltexte, die Aḷḷāhs I Weisheit und die Begründbarkeit hinsichtlich Seiner Taten bestätigen, sind zahlreich.

المراجع

  1. Unter der „universellen Wahrheit“ (Ḥaqīqah kauniyyah) verstehen die Sufisten, „die Wahrheit mit der Wahrheit zu sehen“. Anders ausgedrückt: Man verinnerlicht eine Angelegenheit so tief,dass einem scheint, als sähe man sie mit den eigenen Augen (siehe Erläuterung der „Risālat alʽUbūdiyyah von Ibn Taymiyyah“ durch ʽAbdurraḥīm as-Sulamiyy).
  2. Siehe Ibn Taymiyyahs Buch «al-Furqān bayna ’Auliyā’ ar-Raḥmān und ’Auliyā’ aš-Šayṭān» (Die
    deutliche Unterscheidung zwischen den Anhängern des Allerbarmers und den Anhängern des Teufels), S. 237.
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